Bern, Politforum Käfigturm, 2. Sept. 2013. Referat “Wie bereite ich mich für eine Rede vor?” Ein Referat im Rahmen des Rhetorik Club Bern.
Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger ist der Einladung des Rhetorik Club Bern gefolgt, eine Rede über das Reden zu halten. Vor vollem Saal im Käfigturm in Bern hat er den Zuschauern aus seinem reichen Erfahrungsschatz als politischer Redner wertvolle Grundzüge der Rhetorik mitgegeben. Die Zuschauer sind aus der ganzen Schweiz aus den verschiedenen Rhetorik-Clubs angereist. Er hat seine Rede mit persönlichen Erfahrungen und Bonmots gespickt. Seine reiche Erfahrung aus dem Parlament als National- und Bundesrat hat er geschickt einfliessen lassen.
Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger am Rednerpult
Moritz Leuenberger hat über weite Strecken frisch von der Leber weg gesprochen. Sein Manuskript war zwar ausführlich (A4 mit ganzen Sätzen), doch er hat es diskret eingesetzt, so dass der Blickkontakt und der Dialog mit dem Publikum nicht zu kurz kamen. Einzig gleich zu Beginn war schade, dass er schon nach der Begrüssung ein erstes Mal seinen Blick senkte um auf seine Notizen zu schauen.
Moritz Leuenberger liest vom Manuskript ab
Seines Erachtens muss bei einer Rede die Priorität auf dem Inhalt liegen. Dabei hat er mit vielen Beispielen eine Tour d’Horizon von Martin Luther King bis Manfred Schröder gemacht. Stegreifreden seien nichts für den verantwortungsvollen Redner. Denn jede Rede soll mindestens kurz durchdacht sein. Z.B. beim Attentat in Zug hatte er nur zwei Stunden zur Vorbereitung seiner Rede. In dieser hat er telefonisch Kontakt mit einem Psychiater und mehreren Freunden aufgenommen, um die richtigen Worte zu finden. Oder als Bundesrat wurde er natürlich regelmässig von Journalisten mit dem Mikrofon bestürmt. Dabei hat er sich regelmässig geweigert, sofort zu antworten. Auf diese Weise vermeidet er Fehlschüsse und kann Gedanken wenigstens einen Moment lang reifen lassen. Nur so kann insbesondere ein Politiker verantwortungsvoll antworten, immer im Hinblick darauf, dass das was er sagt, in die ganze Nation ausgestrahlt wird.
Ein Auszug aus dem Manuskript von Moritz Leuenberger
Moritz Leuenberger hat beispielhaft vorgemacht, wie man eine Rede vorbereiten und dann aber auch halten soll. Er empfiehlt zuerst die Systematik (ähnlich wie ein Inhaltsverzeichnis) zu erstellen, so dass die grossen Schritte definiert sind. Ganz im Sinne des Primats des Inhalts. Im zweiten Schritt erst soll man sich um weniger entscheidende Dinge wie die Einleitung und humorvolle Einschübe kümmern.
Je nach Publikum und deren Erwartungen und Bedürnisse muss der Inhalt gestalt
Das Publikum lauscht den Ausführungen von Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger
et werden. Es macht einen Unterschied, ob ein Publikum feindlich, freundlich, skeptisch, offen oder verschlossen ist. Oder braucht das Publikum Trost?
Alt-Bundesrat Leuenberger hat auf zwei Arten von Reden aufmerksam gemacht:
- Die Übersetzungshilfe: ein Redner “übersetzt” für das Publikum einen Sachverhalt
- Die eigene Meinung vertreten
Sein Vergleich mit dem Theater war meines Erachtens sehr passend: Es gibt auch als Redner Elemente zu beachten wie das Publikum, die Bühne, die Dramatik, technische Hilfsmittel (z.B. Grossleinwand, Hellraumprojektor) etc..
Die Stärken von Moritz Leuenberger in diesem Vortrag waren meines Erachtens:
Moritz Leuenberger lässt seinen linken Arm teilnahmslos hängenSeine Kritik an Rhetorik-Kursen, an denen er gemäss eigener Aussage noch nie teilgenommen hat. Dadurch verliert die Kritik an Glaubwürdigkeit.
- Die humorvollen Einschübe und Geschichten
- Seine persönlichen Erlebnisse als Redner und Politiker
- Seine Recherche über den Rhetorik Club Bern und Toastmasters
- Wasser predigen und Wasser trinken: Er hat nicht nur empfohlen die Rede so zu schliessen wie sie begonnen wurden, sondern hat es auch gleich selbst gemacht.
- Dialog mit dem Publikum über Blickkontakt und Bonmots
Aus meiner Sicht gab es folgendes Verbesserungspotential:
- Sein linker Arm hing teilweise teilnahmslos auf der Seite. Dadurch verlor der körperliche Ausdruck an Dynamik.
- Sein Abgang von der Bühne darf dynamischer sein. Aus meiner Sicht eher wie ein scheues Reh als einer, der selbstbewusst sagt: “Doch, das ist gut gelaufen. Ich bin stolz.”
Toll, dass sich Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger die Zeit genommen hat, sich für den Rhetorik Club Bern als Redner zur Verfügung zu stellen und seine ganz persönlichen Tipps und Tricks zu teilen. Ein bereichernder Vortrag. M.E. hat es sich gelohnt. Gerne wieder.