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Thomas Jordan: Eine Rede sollte keine Vor-Lesung sein

Zürich, Kongresshaus, 16. Januar 2014, 18:03 – 18:45 Uhr. Organisiert von der Zürcher Volkswirtschaftlichen Gesellschaft.

Prof. Dr. Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank: “Eine neue Rolle für die Zentralbanken?”

Eines der wenigen Male, während derer Thomas Jordan ins Publikum geschaut hat. Schade.

Eines der wenigen Male, während derer Thomas Jordan ins Publikum geschaut hat. Schade.

In seinem Referat vor vollem Saal von über 400 Zuhörern hat Thomas Jordan darauf aufmerksam gemacht, dass die Schweizerische Nationalbank einzig der Preisstabilität und der konjunkturellen Entwicklung der Schweiz verpflichtet bleiben sollte. In diesem Licht sind alle Massnahmen wie auch die Wechselkursbindung des Schweizer Frankens an den Euro oder der Verzicht auf Ausschüttungen an die Kantone für 2013 zu sehen. Während 40 Minuten hat er ein Gegenargument nach dem anderen gegen diese Haltung zu entkräften versucht.

Thema dieses Blog-Beitrags: “Wie war der Auftritt von Thomas Jordan aus rhetorischer Sicht?” (Eine kurze Einschätzung zur Rhetorik: 3 positive Aspekte, 3 Verbesserungspotentiale.)

Positiv sind mir aufgefallen:

  • Kleidung: Weisses Hemd, dunkler Anzug. So wie es von einem Banker, dazu noch dem Höchsten der Schweiz, erwartet wird.
  • Publikumsgerecht: 90 von 100 Teilnehmern waren sogenannten Silberfüchse, Personen mit grauem oder weiss

    Thomas Jordan liest vom Manuskript ab

    em Haar. Diese stellen meiner Erfahrung nach weniger Ansprüche an die Form des Referats, sondern sind gerne bereit einem (guten) vorgelesenen Fachvortrag zuzuhören.

  • Fragen und Antworten (nach dem Abschluss des Referats): Hier kam er meines Erachtens am besten zur Geltung. Er hat frei gesprochen, Blickkontakt mit dem Publikum aufgenommen und gestikuliert.

Mögliche Verbesserung / Ideen:

  • Versprecher: Für mein Dafürhalten waren zu viele Versprecher drin, z.B. behubsam statt behutsam, leglich statt lediglich, Streifszugs statt Streifzuges.
  • Frei sprechen: Eine Rede sollte keine Vorlesung sein – sie sollte nicht vorge-lesen werden. Andernfalls verliert der Redner den Kontakt zum Publikum. Dies hat sein Vorgänger Philipp Hildebrand besser gemacht.
  • Gestik: Thomas Jordan hat wenig bis gar keine Gestik eingesetzt. Für dieses Publikum mag das in Ordnung sein. Bei einem jüngeres Publikum würde er m. E. Gefahr laufen, dass dieses mit den Gedanken abschweift.

Fazit:

Um es mit dem Fernsehen zu vergleichen: Ein jüngeres Publikum würde vermutlich wegzappen. Empfehlung: Referat einfacher verdaulich machen mit Körpersprache, Kontakt zum Publikum und bildlichen Vergleichen, ähnlich wie er es bei der Beantwortung der Fragen gemacht hat.

Auf der Skala von 1 (zu Hause bleiben) bis 10 (Weltmeister): 5

Philipp Hildebrand: Solides Handwerk

Zürich, Börsensaal, Bleicherweg 5, 17. Mai 2010, 18:10 – 18:35 Uhr. Organisiert von der Zürcher Volkswirtschaftlichen Gesellschaft.

Dr. Philipp M. Hildebrand, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank SNB: “Weichenstellung für die Schweizer Wirtschaft”

Philipp Hildebrand hat in seinem Referat vor ca. 450 Zuhörern darauf hingewiesen, dass die Schweiz in Europa ein zu kleiner Player ist, als dass sie agieren könnte. Stattdessen seien wir dazu verdammt zu reagieren. Insgesamt plädiert Herr Hildebrand dafür, dass der Finanzplatz stärker reguliert werden sollte.

Thema dieses Blog-Beitrags: “Wie war der Auftritt von Philipp Hildebrand aus rhetorischer Sicht?” (Eine kurze Einschätzung zur Rhetorik: 3 positive Aspekte, 3 Verbesserungspotentiale.)

Positiv sind mir aufgefallen:

  • Kleidung: Weisses Hemd, dunkler Anzug, rote Krawatte. Perfekt, klassisch. Ganz nach dem Motto: Kleider machen Leute.
  • Rückblick in die Geschichte: Gute Anknüpfung an eine Aussage der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft von 1835. (Schon damals hat man sich Gedanken zum Verhältnis des Bankenplatzes zum Rest der Wirtschaft gemacht.) Entspricht dem ersten Teil der nützlichen klassischen Struktur von “gestern – heute – morgen”.
  • Abschluss: Nach den letzten Worten ist Herr Hildebrand mit aufrechter Haltung und festem Blick ins Publikum auf der Bühne stehen geblieben. (Andere Redner erwecken oft den Eindruck, sie seien froh, dass die Rede vorüber ist und verlassen die Bühne so schnell wie möglich.)

Mögliche Verbesserung / Ideen:

  • Geschwindigkeitswechsel: Ich habe konstant die gleiche Redegeschwindigkeit wahrgenommen. Selbst wenn die Geschwindigkeit sehr gut ist, helfen Geschwindigkeitswechsel enorm der Monotonie-Falle zu entgehen.
  • Ehre / Dank / Begrüssung: Sätze wie “es ist mir eine Ehre hier zu sein” und “ich bedanke mich, dass ich bei Ihnen vorbeikommen darf” müssen frei gesprochen werden können. Sie dürfen nicht vom Blatt abgelesen werden. Empfehlung: Die ersten 5 – 10 Sätze auswendig lernen!
  • Überraschender Schluss: Der Schlusssatz kam für mich überraschend. Empfehlung: Einleiten mit “Ich komme zum Schluss” oder “Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass …”. Dies führt nochmals zu einer Aufmerksamkeitsspitze beim Publikum.

Fazit:

Dr. Philipp M. Hildebrand bringt solides Schweizer Handwerk auf die Bühne. Empfehlung: Auftreten, Stimme wie bisher einsetzen; Die ersten Stätze frei sprechen und den Abschluss klar einleiten.

Auf der Skala von 1 (zu Hause bleiben) bis 10 (Weltmeister): 6

Skipwith-Radar

Neben den genannten Stärken und Schwächen gibt es noch mehr Aspekte, welche zur Beurteilung der Rhetorik und Präsentationstechnik betrachtet werden können. Diese sind im Skipwith-Radar zusammengefasst. Der Skipwith-Radar erlaubt die Präsentation im Detail zu analysieren. (Die elektronische Version des Skipwith-Radars gibt es gratis auf www.thomas-skipwith.com als Arbeitsblatt zum runterladen und selber benutzen.)

Hier die Auswertung für Philipp Hildebrand. Gesamtnote: 6

Eine Null bei einem Aspekt bedeutet: Der Aspekt wurde nicht eingesetzt. Das kann eine Anregung sein, in diesem Bereich beim nächsten Mal etwas zu machen, ist aber nicht zwingend.