Brüssel, 17.06.2019: Roger Köppel hält einen Vortrag „Zustand der EU – von aussen gesehen“ bei der EKR (Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer) im Europaparlament
Ein Freund von mir hat mich gefragt, was ich von der Rede von Roger Köppel halte. In diesem Beitrag teile ich ein paar Gedanken dazu.
Bildquelle: Petar Marjanovic, CC BY-SA 4.0 (unverändert)
Link zum Video auf YouTube: Roger Köppel: Vortrag „Zustand der EU – von aussen gesehen“ am 17.6.2019 in Brüssel
Link zum Video auf Vimeo: Nationalrat Roger Köppel auf der Veranstaltung “Weniger Europa” im Europäischen Parlament in Brüssel
Gleich vorne weg: Die Rede von Roger Köppel ist meines Erachtens ein Lehrstück einer guten Rede. Sie ist gut strukturiert, mit Leidenschaft vorgetragen und immer wieder mit Humor gespickt. Sie hat viele rhetorische Stilmittel, die es wert sind, genauer betrachtet zu werden.
Übrigens, die Rede ist auch oder gerade für diejenigen sehenswert, die nicht seiner politischen Meinung sind. Denn daraus können auch sie rhetorische Stilmittel für ihre eigenen Positionen schöpfen. (Das war jetzt meine Captatio benevolenciae :-), siehe unten.)
Insbesondere will ich drei rhetorische Stilmittel hervorheben: Die Captatio benevolenciae, die Beispiele und Analogien und seine Wortwahl.
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Captatio benevolenciae
Während 10 von 28 Minuten benutzt Roger Köppel das rhetorische Mittel der Captatio benevolenciae, um das Wohlwollen des Publikums zu bekommen. Mit anderen Worten: In den ersten 10 Minuten hat er das Publikum und die EU gelobt und um das Wohlwollen des Publikums geworben. Auch das Verständnis für die Schweiz und aus welchem Blickwinkel er [und ein Teil der Schweiz] auf die EU schaut, wird so für den Zuschauer klar. Das ist auch deshalb eine sehr gute Strategie, weil sein Publikum vermutlich aus Personen [insbesondere Deutsche] besteht, die die politischen und organisatorischen Verhältnisse in der Schweiz nicht besonders gut kennen.
[2:18] Er spricht davon, dass er zu 25 % Deutscher ist. Er sucht so eine Gemeinsamkeit mit dem Publikum und dessen Verständnis für seine Position.
Ausserdem hilft es dem Zuschauer zu wissen, dass er Historiker und Publizist ist. Auf diese Weise kann der Zuschauer seine Aussagen besser einordnen.
Er steht auch zu seinem politischen Standpunkt. Er erwähnt öfter, dass er zu denjenigen gehört, die nicht in die EU wollen. Dies zeigt, dass er mit offenen Karten spielt. Das macht ihn zumindest für mich sympathisch.
Gerade wenn man sich in der Höhle des Löwen befindet, ist die Captatio Benevolenciae eine zu Recht gewählte Strategie. Die Captatio Benevolenciae ist auch ein probates Mittel, wenn man als Führungskraft schlechte Nachrichten überbringen muss.
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Beispiele und Analogien
Roger Köppel bringt prägnante Beispiele und Analogien, die wohl den meisten Zuhörern sofort einleuchten.
- [05:05] Die Mehrwertsteuer kann nur erhöht werden, wenn das Schweizer Volk zustimmt. [Im Unterschied zu anderen Staaten.]
- [Aus der Geschichte]: Die Deutschen haben sich bis 1871 geweigert einen Nationalstaat zu bilden. Weil sie angeblich auch der Meinung waren, dass Gebietskörperschaften [die heutigen Bundesländer] besser sind.
- [18:50 – 19:42] Er teilt eine persönliche Geschichte aus seiner Jugendzeit. Das ist Storytelling vom Feinsten. [Wer nichts anderes aus dieser Rede anschaut, dann dies!]
- [23:04] Er sprich von Herrn Henkel, der mit seinem Unternehmen nicht einfach gegen den Konsumenten irgendwelche Entscheidungen durchdrücken kann, sondern auf diese hören muss. Ganz anders, argumentiert Roger Köppel, ist es in der Politik. Die Politiker machen was sie wollen und hören zu wenig auf das Volk.
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Wortwahl
Er wählt Worte, die wirken.
- In Anlehnung an den Titel der Veranstaltung: Weniger Europa, mehr EU.
- Sprichwort: Am Schweizer Wesen soll die Welt genesen.
- [11:19] Der Euro ist für die Griechen ein tonnenschwerer Bleiblock.
- Den eigenen Garten pflegen.
- Die Schweiz ist die bestorganisierteste Anarchie des Abendlandes.
- [10:58] Mit einer kleinen Einlage auf Schweizerdeutsch in direkter Rede spricht er den Humor des Publikums an.
- [12:50] Auf Englisch mit italienischem Akzent mimt er einen hochrangigen Diplomaten sprechen.
- [13:10] In der EU sind alle für alles verantwortlich, aber niemand für etwas.
- [22:20] … stimmungsmässig in Nordkorea.
- [24:30] … ist die EU durchgeschüttelt worden. Das war ein Erdbeben.
- [27:00] …, wenn man weiterhin oben auf dem Herrenreiter sitzt und mit der Reitpeitsche dem skeptischen Volk eines aufs Maul knallen wird.
Spannend wäre es natürlich jemanden zu haben, der nicht (wie ich) aus der Schweiz stammt und seine Rede kommentiert. Noch besser wäre es, es wären mehrere Personen aus verschiedenen politischen Lagern, um ein ausgewogenes Bild zu kriegen wie er mit dieser Rede angekommen ist.
Ich analysiere öfter und gerne Reden und Präsentationen. Wenn Du einen Vorschlag hast, wen ich mir anschauen soll, dann schick mir doch einfach eine Nachricht.
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Ich wünsche Dir viel Erfolg für Deine nächsten Präsentationen.
Thomas Skipwith
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